Am 14.04.2022 wurde ein Interview mit der EVW Beraterin Krisztina Németh auf Radio Bukarest ausgestrahlt. Das Interview wurde von der Journalistin Benedek Csilla durchgeführt.
Ziel des Interviews war es die Arbeitssituation der ausländischen Erntehelfer zu beleuchten und das Auditorium des Senders darüber zu informieren, was bei einer Tätigkeit als Saisonarbeiter in Deutschland zu beachten ist.
Fragen und Antworten zum Interviev vom 14.04.2022
Reporterin – Wieso wurde der Europäischer Verein für Wanderarbeiterfragen gegründet und wo?
Krisztina Nemeth – Der Europäischer Verein für Wanderarbeiterfragen wurde in 2004 auf Initiative der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) gegründet. Unser Verein führt mehrere Projekte durch. Eins davon ist Faire Mobilität 2022 RP, wo ich auch tätig bin.
Unser Projekt ist ein Landesprojekt und wird aus Mitteln des Ministeriums für Arbeit, Soziales, Transformation und Digitalisierung Rheinland-Pfalz, den Europäischen Sozialfonds Plus und DGB Rheinland-Pfalz/Saarland gefördert.
Unser Büro ist in Mainz und unser Ziel ist es, Wanderarbeitern aus Osteuropa in arbeits- und sozialrechtlichen Fragen kostenlos und muttersprachlich zu informieren, zu beraten und zu qualifizieren.
Reporterin – Warum richten sich Ihre Aktivitäten hauptsächlich an Saisonarbeiter in der Landwirtschaft?
Krisztina Nemeth- In Rheinland-Pfalz gibt es viele landwirtschaftliche Betriebe mit Schwerpunkt Gemüseanbau. Deshalb richten sich unsere Aktivitäten unter anderem an die Erntehelfer.
Da wir ein Landesprojekt sind, beraten wir hauptsächlich Saisonarbeitskräfte im Südwesten Deutschlands, die in landwirtschaftlichen Betrieben in der Nähe der Städte Mainz und Ludwigshafen sowie an Rhein und Mosel arbeiten. Wenn sich ein Saisonarbeiter aus einem anderen Bundesland sich an uns wendet, leiten wir den Fall an den zuständigen Kollegen weiter.
Reporterin – Wie werden Arbeitsnehmer aus osteuropäischen Ländern unterstützt?
Krisztina Nemeth – Unsere Organisation unterstützt die Saisonarbeiter auf unterschiedliche Art und Weise, vor allem durch kostenlose muttersprachliche Beratung. Die Beratung wird im Büro, telefonisch oder in Rahmen von Außendiensten durchgeführt. Bei Bedarf können wir auch in Konflikten am Arbeitsplatz als Mediator auftreten.
Reporterin – Wanderarbeitnehmer sollten am Arbeitsplatz die gleichen Rechte haben wie einheimische Arbeitnehmer, aber ist das wirklich der Fall? Was sind Ihre Erfahrungen?
Krisztina Nemeth – Die Saisonarbeiter haben laut Gesetz die gleichen Rechte wie die deutschen Arbeitsnehmer. Wir stellen aber oft Verstöße gegen das Gesetz fest. Einer der häufigsten Verstöße ist der Lohnabzug. Es kommt oft vor, dass rechtswidrige Abzüge vorgenommen werden, z.B. für Arbeitskleidung oder Arbeitsmaterialien.
Die Überstunden werden nicht immer richtig abgerechnet. Überstunden sind in der Landwirtschaft häufig, sie müssen aber auch bezahlt werden. Viele Vorarbeiter behaupten, dass die Überstunden in Deutschland nicht bezahlt werden müssen.
Reporterin – Wie läuft es bei Ihrer Arbeit? Auf welche Schwierigkeiten stoßen Sie?
Krisztina Nemeth– Während der Saison führen wir häufig Aktionen in der Landwirtschaft durch. Wir fahren auf die Felder, um vor Ort muttersprachliche Informationsmaterialien zum Thema Arbeitsrecht und Gesundheitsschutz zu verteilen.
Unsere Arbeit wird oft durch die Landwirten erschwert. Nur wenige landwirtschaftliche Betriebe wollen mit uns zusammenarbeiten. Die Beratungen werden nur selten vor Ort durchgeführt, weil die Saisonarbeiter Angst haben mit uns zu sprechen. Die ausführliche Beratung erfolgt oft telefonisch.
Wir stellen fest, dass sich die Arbeitnehmer nur selten an uns wenden, wenn sie Hilfe benötigen. Dies ist unter anderem darauf zurückzuführen, dass sie Angst wegen Konsequenzen von der Arbeitgeberseite haben.
Reporterin – Was sind die häufigsten Probleme mit denen Sie konfrontiert sind?
Krisztina Nemeth – In der Landwirtschaft werden die Arbeitnehmer in der Regel ausgebeutet, weil der Arbeitgeber weiß, dass die Ernehelfer der deutschen Sprache nicht mächtig sind, nicht ausreichend über ihre Rechte als Arbeitnehmer informiert sind und Ängste wegen der stark ausgeprägten Abhängigkeit vom landwirtschaftlichen Betrieb haben. Zu den häufigsten Problemen gehören schlechte oder gar keine Bezahlung, fehlende Arbeitsverträge, überteuerte Unterkünfte und Verpflegung.
Reporterin – Worauf ist vor und nach der Aufnahme der Arbeit zu achten?
Krisztina Nemeth – Ich habe mehrere Ratschläge:
Bevor die Feldarbeiter das Land verlassen, um mit der Arbeit zu beginnen, sollten sie einen Arbeitsvertrag unterschreiben und sich über Unterkunft und Verpflegung sowie deren Preise erkundigen. Die meisten Arbeitgeber sind nicht verpflichtet ihren Arbeitnehmern eine Unterkunft zur Verfügung zu stellen. Sie sollten auch wissen, dass die Unterkunft nicht kostenlos ist. Wir haben festgestellt, dass für Unterbringung hohe Abzüge vom Lohn gemacht werden. In 2022 dürfen die Landwirte für Unterkunft bei einem Einzelzimmer maximal 241€ abziehen. Für die Verpflegung liegt die Obergrenze bei 270€ pro Monat.
Ich empfehle weiterhin sich über die aktuelle Corona- Maßnahmen zu informieren.
Wenn der Arbeitnehmer bereits im Deutschland ist, rate ich ihm nichts zu unterschreiben, was er nicht versteht und seinen Personalausweis oder Reisepass niemandem zu geben.
Gleichzeitig ist es wichtig, dass der Arbeitnehmer die geleisteten Arbeitsstunden dokumentiert- Vertrauen Sie dem Vorarbeiter nicht alles an! Notieren Sie die Anzahl der geleisteten Arbeitsstunden mit Pausen, Arbeitsort, Namen und Telefonnummern von Kollegen, die dies bestätigen können. Wenn es möglich ist, lassen Sie diese Liste von einem Zeugen unterschreiben. Ich stoße nicht selten auch auf Berichte über hohe Arbeitsvermittlungspreise. Dadurch werden die Ernehelfer zusätzlich enorm belastet.
Zuletzt möchte ich noch mal darauf hinweisen, dass unsere Organisation das Ziel ferfolgt die Arbeits- und Unterbringungsbedienungen der Erntehelfer in der Landwirtschaft zu verbessern. Also zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren!