11.8.2009 – 12:17 Uhr
von Tim Stinauer
Der Kontrast könnte schärfer kaum sein: Tagsüber bauen Constantin Barsan (52) und seine Landsleute im Rheinauhafen Luxuswohnungen mit Rheinblick. Nach Feierabend hausen die Rumänen zu 14 Mann in zwei Dreizimmer-Wohnungen in einem Hochhaus in Meschenich und haben nach eigener Auskunft kaum Geld zum Überleben. Gestern hat die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG Bau) die Männer zum Großeinkauf in einem Billig-Supermarkt eingeladen.
„Sie sind völlig verzweifelt, haben nichts mehr zu essen“, berichtet Maternus Burauen von der IG Bau. Für 213 Euro luden die Maurer, Betonbauer und Eisenflechter kiloweise Eier, Gurken, Hackfleisch, Tiefkühlgemüse und Hähnchenschenkel, Würstchen, Brot und Wasser in die Einkaufswagen. 6000 Euro pro Arbeiter Seit Monaten, klagt Barsan, hätten er und seine Männer von ihrer Baufirma keinen Lohn mehr gesehen. „Ab und zu steckt die Firma ihnen mal einen Hunderter zu, damit sie sich etwas zu essen kaufen können“, ergänzt Burauen. „Manche müssen sich sogar ihre Werkzeuge und die Arbeitskleidung selbst kaufen und Geld für die Unterkunft abgeben.“ Pro Arbeiter stünden noch etwa 6000 Euro brutto an Lohnzahlungen aus, berichtet der Gewerkschaftssekretär. Bis die Baufirma die Restsumme vollständig auszahle, wollen die rumänischen Arbeiter nun nicht mehr im Rheinauhafen erscheinen, sagt Burauen. Außerdem bereite die Gewerkschaft juristische Schritte vor. Bei der verantwortlichen Exact Bau GmbH in Lohmar indes lösen diese Vorwürfe „Empörung“ aus. Exact-Chef Jürgen Weinert sagt: „Die Leute werden für Ihre Leistungen angemessen gut und vor allen Dingen zeitnah bezahlt. Alle werden fair und korrekt behandelt.“ Exact Bau ist als Subunternehmer im Rheinauhafen tätig und beschäftigt die Rumänen mit Werkverträgen als sogenannte Selbständige. Diese Art der Beschäftigung von Arbeitskräften auf deutschen Baustellen müsse der Gewerkschaft „ein Dorn im Auge sein“, sagt Weinert und erhebt seinerseits schwere Vorwürfe gegen die IG Bau und den ihr angegliederten Verband der europäischen Wanderarbeiter. Der Firmenboss spricht von einer „Inszenierung“. Gezielt würden Arbeitskräfte „zu solchen abenteuerlichen Verhaltensweisen animiert“, schimpft Weinert. Er könne mit Unterlagen beweisen, dass seine rumänischen Arbeiter 7,50 Euro pro Stunde verdienten. Gewerkschaftssekretär Burauen dagegen beteuert, dass alle 14 Arbeiter schriftlich das Gegenteil versichert hätten. Auf einen Kran geklettert Mit einer spektakulären Aktion hatten sechs der betroffenen Kölner Bauarbeiter vor ein paar Tagen auf ihre Situation aufmerksam gemacht: Sie kletterten auf einen 30 Meter hohen Kran im Rheinauhafen. Die Feuerwehr rückte an, als letzter gab schließlich auch Constantin Brodei auf. „Ich habe seit drei Monaten keinen Lohn gekriegt, ich habe Hunger“, klagte der 26-Jährige gestern. Auch in Ratingen hatten rumänische Bauarbeiter im Oktober wegen angeblich ausbleibender Lohnzahlungen gegen die Lohmarer Firma demonstriert. Am heutigen Mittwoch wollen sich Vertreter der IG Bau sowie der Kölner Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Wolfgang Uellenberg-van Dawen, im Rheinauhafen ein Bild von den Arbeitsbedingungen der rumänischen Bauarbeiter machen. Die ehemalige Lagerhalle 11 bauen die Männer derzeit zu einem modernen Wohn- und Geschäftshaus aus. Auf dem Gelände entstehen unter anderem 68 exklusive Wohnungen mit Größen zwischen 68 und 270 Quadratmetern.
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