9.10.2007 – 8:40 Uhr
von Frank Preuss, „NRZ“ 07.10.07
DÜSSELDORF. Die Rauchschwaden ungezählter Zigaretten liegen bleischwer in der Luft. Im Treppenhaus bröckelt der Putz, aus der kleinen Küche im Erdgeschoss bahnt sich ein undefinierbarer Essensgeruch seinen Weg, eine Toilettenspülung gurgelt irgendwo im Hintergrund. Vier Männer sitzen im handtuchbreiten Flur auf wackeligen Holzstühlen, auf dem schmuddeligen Tischchen in der Mitte quillt der Ascher über. Sie warten darauf, dass sie endlich bezahlt werden.
Für ihre Arbeit auf einer Krankenhaus-Baustelle in Ratingen. Und nicht nur sie: Insgesamt 26 rumänische Wanderarbeiter sind an der Düsseldorfer Alexanderstraße gestrandet, in einem heruntergekommenen vierstöckigen Wohnhaus mit einem Badezimmer und einer einzigen Toilette. Sie sprechen kein Wort Deutsch und wissen nicht, wie es weitergeht. Sie haben kein Geld mehr, sie schlafen in Stockbetten, auf durchgelegenen Matratzen. Zu viert, zu sechst, zu acht. Ein Duisburger Dienstleister hat hier bereits ein Dutzend polnischer Arbeiter untergebracht. Düsseldorfs schickste Adresse, die Königsallee scheint Lichtjahre entfernt von diesem Ort – dabei sind es ganze drei Fußminuten. Gewerkschafter Holger Vermeer von der IG Bau argwöhnt, dass er hier dem nächsten Skandal um Lohndumping auf der Spur ist, und erinnert an die „moderne Sklavenarbeit“ auf der Großbaustelle Limbecker Platz in Essen. Dort wurden Arbeiter, wie in der NRZ berichtet, mit Stundenlöhnen von 1,48 Euro erniedrigt. Mihai Balan vom Europäischen Verband der Wanderarbeiter (EVW) behauptet, dass die Rumänen in Düsseldorf von einem Thüringer Subunternehmer diesmal mit ähnlichen Methoden geködert worden seien. „Sie sollten ein Gewerbe anmelden, denn als Selbstständige muss man ihnen ja nicht den Mindestlohn zahlen.“ Einige sollen das auch getan haben. Andere sprechen von 7,50 Euro, die mit ihnen vereinbart worden seien. Insgesamt soll es um 67 000 Euro an offenen Lohnforderungen gehen. Geld aber haben die Männer nach eigenen Angaben nun seit Wochen nicht mehr gesehen. Zuletzt flossen ein paar Euro im September. „Das war ein Teil des Juli-Lohns“, erzählt Balan. „Sie sollten jetzt am Wochende ein bisschen Geld bekommen für Essen. Aber nichts ist gekommen.“ Seit dem Frühjahr schuften die Männer in Ratingen am Neubau eines Ärztehauses des dortigen St. Marien-Krankenhauses und hausen in der Düsseldorfer Innenstadt. Balan will mit Hilfe der IG Bau, die sich auch in Essen erfolgreich eingeschaltet hat, Druck machen auf den Generalunternehmer aus Hückelhoven, der die Thüringer beauftragt haben soll. „Es muss etwas passieren, die Leute brauchen sofort Geld.“ Die Unternehmen waren am Wochenende telefonisch nicht zu erreichen. Zudem wird sich Balan schon mit einem nächsten Fall beschäftigen müssen. Auf einer Baustelle in Dormagen, sagt er, warten weitere Wanderarbeiter seit Monaten auf Lohn.